
Ich habe schon viel erlebt und genauso viele schreckliche Nachrichten zur Kenntnis nehmen müssen. Für Geschichte hatte ich mich schon immer interessiert. Im Grunde geht es bei Menschen immer nur um Macht, Kriege und entsprechende Eroberungen.
Ich kann mich noch genau daran erinnern, wann mein Interesse für Politik erwachte. Das war im Deutschen Herbst 1977. Da muss ich so zwölf Jahre alt gewesen sein.
Ohne angeberisch zu wirken: In dem Alter hatte ich schon Zeitungen und Magazine gelesen, während sich einige meiner Klassenkameraden noch mit Comics beschäftigten.
Meine Eltern waren auch sehr politisch interessiert. In ihrer Bibliothek hatten sie viele tolle Bücher. Unter anderem über die Urzeit, die Antike, das Mittelalter, aber auch über das aktuelle Zeitgeschehen. Ich kann mich noch an „Der Archipel Gulag“ von Alexander Solschenizyn erinnern, ich glaube, das war damals eines der dicksten Bücher, die ich je gesehen hatte.
Als kleines Kind prasselten die Nachrichten der Tagesschau auf mich ein. Es ging um ein fernes Land, in dem es so ganz anders aussah, als ich es von meiner Heimat kannte. Es wurden brutale Bilder von Soldaten gezeigt, die kämpften, starben oder schon tot waren. Luftangriffe, Bombenabwürfe, viel Feuer und immer wieder Hubschrauber.
Ich glaube, dass mich diese Bilder vom Vietnamkrieg mehr prägten als alles andere. Seitdem interessiere ich mich für Helikopter und wollte immer nach Südostasien. Insbesondere zum Mekong River. Denn von dem war in der Endphase des Krieges immer die Rede. Die Kämpfe im Mekong-Delta waren damals ständig das Top-Thema in den Nachrichten.
Als ich etwas größer wurde, lernte ich, dass Politik ein durch und durch dreckiges Geschäft ist. Ich kann mich noch genau an den Aufstand in Persien erinnern. Dem Schah wurde vorgeworfen, ein korrupter Diktator und ein Mörder zu sein. Der müsse weg, hieß es damals. (Zumal er von den USA gestützt wurde, und in den Augen der Linken war die USA schon damals ein Schurkenstaat.)
Und dann kam das große Erwachen. Und für mich die erste Lektion in Sachen Politik. In der Politik ist das Gegenteil von schlecht nicht gut, sondern noch schlechter.
Denn als der Schah gestürzt war und alle glaubten, jetzt werde alles besser, kam Ayatollah Khomeini nach Persien und installierte seinen iranischen Gottesstaat.
Gibt es wirklich jemanden der glaubt, dass dieses frauen- und judenhassende Regime besser ist als die Regierung unter dem aufgeklärten und säkularen Schah? Damals sah Persien aus wie ein westliches Land. Möge man das einmal mit dem heutigen Iran vergleichen.
Überspringen wir an dieser Stelle einige Dekaden.
Irgendwie wurde ich im Laufe der Zeit zum Misanthrop. Spätestens während Corona. Da wurde mir klar, dass man den Menschen alles erzählen kann, sie glauben wirklich jeden Mist. Sie sind auch gern bereit, alle, die nicht dem Mainstream, der Regierungspropaganda folgen, knallhart auszugrenzen. Ja, sie sind kurz davor, diese Leute an die Wand zu stellen. Wenn es der Staat erlaubte, würden sie es machen. So wie in dem Milgram-Experiment, in dem ganz normale Menschen zu erbarmungslosen Sadisten wurden. Und das nur, weil es die Obrigkeit verlangte.
Seit Corona bin ich daher recht verzweifelt, was die Menschheit betrifft. Auf der einen Seite weise ich von mir, dass ich ein Misanthrop bin, denn ich bin kein Menschenfeind, ganz im Gegenteil. Ich sehe mich als Humanist. Auf der anderen Seite bin ich aber derartig enttäuscht von den Menschen, dass ich eben doch ein Misanthrop bin.
In der Misanthropie geht es um drei Dinge: um die Dummheit der Menschen (Corona hat uns gezeigt, dass man denen erzählen kann, im Himmel ist Jahrmarkt, und die glauben das). Um die Moral der Menschen (nicht im Sinne von Sex, sondern im Sinne von Kriminalität). Da ist doch in der Tat Hopfen und Malz verloren. (Nicht nur hier ziehen sich alle gegenseitig für einen schnellen Baht über den Tisch, egal, um welche Nationalität es sich handelt.) Und zum Dritten geht es in der Misanthropie um Geschmack bzw. der Abwesenheit eines solchen. Wie hässlich heutzutage alles ist, ich kann nur noch verzweifeln. Man sehe sich nur an, wie in der Renaissance gebaut wurde, selbst in der Gründerzeit noch.
Dann erfolgte der Angriff der Hamas-Terroristen auf Israel. Und seitdem ist es bei mir völlig aus. Es ist einfach nicht zu fassen, wozu Menschen fähig sind. Da denkt man sich, na gut, als die noch in Höhlen lebten, waren die vielleicht so. Na gut, vielleicht waren die im Mittelalter immer noch so oder während der Kreuzzüge. Die werden vielleicht schon ihre Gründe gehabt haben damals, als sie in der frühen Neuzeit Hexen verbrannten.
Aber in einer zivilisierten Welt des 21. Jahrhunderts können die doch nicht mehr so sein. Doch, sie können! Und die Menschen werden sich auch nie ändern.
Es gibt ja viele Bilder und Videos von dem hinterhältigen Angriff auf Israel. Aber oft bleibt nur ein Bild übrig – bei mir ist es jedenfalls so –, das sich unvergesslich ins Gedächtnis einbrennt.
Es ist das Portrait der zwölf Jahre alten Noya, die am 7. Oktober nach Gaza verschleppt und dort zusammen mit ihrer Großmutter ermordet wurde. Noya war einfühlsam, freundlich, lustig und ein großer Harry-Potter-Fan. Auf dem Foto ist sie mit Zauberstab und einem Buch der Harry-Potter-Reihe zu sehen. Möge sie in Frieden ruhen.
Ich habe fertig!