
Die Miniserie ist drei Jahre alt und die Adaption eines Romans der irischen Schriftstellerin Sally Rooney.
Manchmal frage ich mich, wie viele gute Filme und Serien oder Regisseure es da noch so gibt, von denen ich nie etwas gehört habe.
Von der Serie habe ich glücklicherweise erfahren, weil mich ein Freund auf diese aufmerksam gemacht hat. Vermutlich hat er gar nicht geahnt, dass die Serie ein Genre bedient, das seit noch nicht ganz so langer Zeit zu meinem Lieblingsgenre geworden ist: Filme übers Erwachsenwerden. Da dieses Genre aber zu viele Überschneidungen mit Dramen, Romanzen und Komödien hat, gibt es diese Kategorie eher selten bis gar nicht.
In „Normal People“ geht es um die Schülerin Marianne (herausragend: Daisy Edgar-Jones) und den Schüler Connell (ebenfalls sehr gut: Paul Mescal). Beide gehen in der irischen Kleinstadt Sligo zur Schule und wohnen in einem Kaff der gleichnamigen Grafschaft.
Marianne geht ihre eigenen Wege. Sie versteht ihre Mitschüler nicht, die Mitschüler verstehen sie nicht. Sie ist intelligenter, cleverer, klüger als alle anderen und wird daher von allen in der Schule gehasst. Nur Connell sieht in ihr, was sie ist.
Die beiden kommen sich näher, werden ein Paar. Auf Drängen Connells soll das aber ein Geheimnis bleiben, damit ihn seine Freunde nicht damit aufziehen, dass er mit der in den Augen seiner Freunde „Bekloppten“ zusammen ist.
Die beiden verlieben sich unsterblich ineinander ohne es zu ahnen. Ihre Lebenserfahrung reicht noch nicht aus.
Nach einem Streit geht die Beziehung auseinander, sie treffen sich auf der Uni in Dublin wieder. Alles geht von vorne los.
Jede Inhaltsangabe kann dieser Serie nicht gerecht werden. Ich habe schon lange nicht mehr eine derartig gute Serie gesehen. Hier stimmt einfach alles. Es ist schwierig, das in Worte zu fassen.
Sexszenen sind so hautnah und gleichzeitig einfühlsam inszeniert, wie ich das seit Louis Malles „Verhängnis“ (1992) nicht mehr gesehen habe. Ebenso einfühlsam ist die Charakterisierung der beiden Hauptfiguren.
Es geht darum, wer man ist, was man sich wünscht, wie man das Leben aus unterschiedlichen Perspektiven sieht und wie das Leben einem mitspielt. Wie seelenverwandt man mit jemandem sein kann, obwohl man auf den ersten Blick grundverschieden ist.
Nicht zu kurz kommt in diesem Zusammenhang das Thema Klassenunterschied, das in Großbritannien und offenbar auch in Irland immer noch eine große Rolle spielt. Sie stammt aus einer wohlhabenden Familie, seine Mutter ist bei ihrer Mutter als Putzfrau angestellt. Wie kann es da sein, dass sich die Sprösslinge derartig zueinander hingezogen fühlen?
Ein weiteres Thema ist, wie man sich verändert, wenn man älter wird und Erfahrungen sammelt. Und nach diesen Erfahrungen zu der Erkenntnis kommt, dass es vielleicht besser ist, wieder zu dem zurückzukehren, was man von Anfang an mochte.
Unschlagbar, wie die Serie fotografiert ist. Die Kamera fängt immer wieder die jeweilige Stimmung ein.
Zu dieser gehören auch Einsamkeit und Verlorenheit, wenn ein Protagonist ohne den anderen ist. Der eine betäubt diesen Zustand mit Alkohol, die andere mit brutalem Sex.
Nicht zuletzt spielt auch der Soundtrack eine wichtige Rolle, denn in Schlüsselszenen und/oder Abspann gibt es immer wieder einen Song, der wie maßgeschneidert zur Handlung passt.
Zwölf Teile à ca. 30 Minuten. Da kann man gut zwei Teile hintereinander sehen. Dachte ich anfangs. Ich habe mich dann schon immer den ganzen Tag auf die nächsten beiden Teile gefreut. Das hielt ich jedoch nicht lange durch. Die letzten sechs Teile habe ich hintereinander gesehen.
Und als ich durch war – und das habe ich bei einer Serie noch nie gemacht – fing ich wieder mit dem ersten Teil an.
Für Freunde der Originalfassung: Der irische Akzent klingt ein wenig wie der schottische, ist aber doch ganz anders. Einfach ist das nicht zu verstehen. Ein Highlight: Wenn Marianne wütend wird, verstärkt sich ihr Akzent entsprechend ihrer Wut. Wie wurde das wohl in der deutschen Synchronfassung umgesetzt?