
Außer Atem (Frankreich 1960)
Ein kleiner Ausflug in die Filmgeschichte am Beispiel des ersten Films von Regisseur Jean-Luc Godard. Weshalb ist er in die Filmgeschichte eingegangen und wird als einer der wichtigsten Regisseure überhaupt gefeiert?
Godard gilt zusammen mit Francois Truffaut und Eric Rohmer als Mitbegründer der Nouvelle Vague.
Diese „Neue Welle“ des französischen Kinos hat den Film in der ganzen Welt beeinflusst. Godards erster (!) Film hat das Kino geradezu revolutioniert. Er stellte alles bis dahin Gesehene auf den Kopf und verblüffte Publikum und Kritiker gleichermaßen. Dieser Film wurde von anderen Regisseuren hundertfach zitiert und ist ein Meilenstein der Filmgeschichte.
Es geht um den Film „Außer Atem“ In der Hauptrolle der Franzose Jean-Paul Belmondo. An seiner Seite die Amerikanerin Jean Seberg.
Die beiden sind ein absolutes Traumpaar mit einer unvergleichlichen Ausstrahlung. Viele kennen Belmondo sicherlich aus seinen Action- und Komödienklamotten aus den 80ern. Dabei hat seine Karriere schon mindestens 25 Jahre früher begonnen. Er war einer von Godards Lieblingsschauspielern.
Die Karriere von Jean Seberg war leider relativ kurz. Sie wurde tot in einem Auto in Paris aufgefunden. Bis heute ranken sich Legenden darum, was ihr widerfahren sein könnte.
Belmondo spielt in „Außer Atem“ einen Ganoven, immer mit einer Gitanes im Mund.
Die Zigarettenmarke war damals ein Markenzeichen für alle Männer, die etwas auf sich hielten. Wer nicht rauchte, war ein Pfosten, und wer keine Gitanes rauchte, war ein Vollpfosten.
Gibt es in dem Film überhaupt eine Szene, in der Belmondo keine Zigarette im Mund hat?
Jean Seberg spielt seine Freundin.
Was ist an diesem Film so besonders?
Es ist die Machart. Genau wie Francois Truffaut bei seinem Film „Sie küssten und sie schlugen ihn“ (1959) ging Godard bei „Außer Atem“ mit seinem Team raus auf die Straße, packte die Handkamera aus und sagte seinen Schauspielern: Jetzt macht mal! Bei Innenaufnahmen wurde in echten Wohnungen gedreht, nicht in Filmstudiozimmern. Das war damals revolutionär und begründete die Nouvelle Vague.
Es gibt ungewöhnliche Kameraeinstellungen. Godard nimmt in einem Auto auf der Rückbank Platz und filmt während der Fahrt Fahrer und Beifahrer von hinten. Das klingt nach nichts Besonderem. Doch damals war das ungeheuerlich, niemand hatte das vorher so gemacht.
Belmondo fährt den Wagen, die Kamera auf dem Beifahrersitz. Die Kamera auf Belmondo gerichtet, das Auto fährt, dann Schnitt, das Auto fährt immer noch, Schnitt, immer noch fährt das Auto. Diese Schnitte gingen als „Jump Cuts“ in die Filmgeschichte ein. Mit diesen Schnitten kann man gut Zeit einsparen. Godard ist der Erfinder der Jump Cuts.
Immer noch im Auto: Die Kamera auf dem Beifahrersitz. Belmondo dreht seinen Kopf nach rechts und spricht direkt in die Kamera.
Es geht gar nicht darum, was er sagt, sondern darum, dass in diesem Film die vierte Wand durchbrochen wird, d.h. dass ein Protagonist sich direkt an das Publikum wendet. Das gab es vorher nicht. Godard hat auch das erfunden. Heutzutage wird dieses Stilmittel meinem Empfinden nach viel zu oft benutzt.
Zum Schluss noch folgende Anmerkung: Filme wie „Außer Atem“ oder „Die Außenseiterbande“ sind geradezu Mainstream, wenn man sie mit anderen Werken Godards vergleicht.
Nun bin ich ein Mann des klassischen Erzählkinos. Ich stelle an Filme keinerlei Ansprüche, was Herkunft, Drehort, Budget, Stil oder Thema betrifft. Mit einer Ausnahme: Ich will, dass mir eine gute Geschichte erzählt wird.
Francois Truffaut hat das Story Telling nie vergessen – ich liebe alle seine Filme –, doch Godard kommt mir oft zu selbstverliebt und experimentell daher. Da bleibt die Geschichte oft auf der Strecke, und ich frage mich: Wenn er mir keine gute Geschichte erzählen will, was will er mir dann mit diesem oder jenem Film vermitteln?
Nichtsdestotrotz ist „Außer Atem“ ein Film, den man nicht genug preisen kann. Ein wunderbarer cineastischer Höhepunkt. Nicht nur wegen der damals neuen Techniken, sondern auch wegen des Zusammenspiels von Belmondo und Birkin. Gut 60 Jahre nach seiner Entstehung ist dieser Film immer noch absolut ungewöhnlich, weil er eben nicht so ist, wie man es erwartet.