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Die Filmkritik

Die Filmkritik

Wo in Paris die Sonne aufgeht (Frankreich 2021)

Es ist durchaus witzig, wenn ein Film so viele Titel hat, dass man nicht mehr durchblickt. Was soll man zu den Leuten sagen, die sich den deutschen Filmtitel haben einfallen lassen, der so gar nichts mit der Handlung zu tun hat? „Wo in Paris die Sonne nicht aufgeht“ wäre meiner bescheidenen Meinung nach passender gewesen.

Wie dem auch sei, der internationale Verleihtitel „Paris, 13. District“ ist da schon genauer. Es geht also um den 13. Bezirk in der französischen Hauptstadt. Und dieser Bezirk trägt im Französischen den Spitznamen „Les Olympiades“. Et voilà – damit sind wir beim Originaltitel des Films angekommen.

Meine Beziehung zum französischen Regisseur Jacques Audiard ist ein wenig zwiespältig. Manchmal dreht er Filme, die einfach nur schlecht sind, und dann dreht er wieder gute Filme, die im Gedächtnis haften bleiben.

„Les Olymiades“ belegt hier einen Mittelplatz. Schlecht ist er nicht, aber alles andere als herausragend.

Herausragende Audiard-Filme sind für mich neben dem Gefängnisfilm „Ein Prophet“ (2009) vor allem „Dämonen und Wunder“ (2015). Da geht es um einen ehemaligen Tamil Tiger, der aus Sri Lanka geflohen ist und in Frankreich versucht, irgendwie durchzukommen. Gegen die Kriminellen in seinem Hochhaus-Viertel in einem Pariser Vorort wehrt er sich auf seine Weise: gelernt ist gelernt, wenn man einmal Extremist gewesen ist.

„Les Olympiades“ spielt ebenfalls in einem dieser berüchtigten Pariser Hochhaus-Vororte. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen eine Asiatin, ein Schwarzer und eine Weiße.

Die Taiwanerin lebt kostenfrei in der Wohnung ihrer Großmutter. Sie vermietet immer ein Zimmer unter, um auf diese Weise Geld zu verdienen. Der neue Untermieter ist ein Schwarzer, mit dem die Insel-Chinesin ständig Sex hat. Wenn schon ein Mann in derselben Wohnung wohnt, dann kann man ihn gern auf seine Lendenkraft reduzieren …

Gefühle scheinen bei ihr erst dann zu entstehen, als er eine Immobilienmaklerin kennenlernt, mit der er in einem Büro arbeitet. Ihre Gefühle sind aber negativer Natur: Eifersucht.

Er und die Maklerin haben Sex – wieder alles ohne Gefühle. Sie lernt irgendwann ein Webcam-Model kennen und will dieses als Freundin gewinnen.

Die Millennials (alle um das Jahr 2000 Geborene) leben in einer trostlosen Welt, die von Gier, Egoismus und langweiligem, gefühllosem Sex beherrscht wird. Angehörige früherer Generationen können nur ungläubig staunen.

Was kann man von einer Gesellschaft, die nach dem Zweiten Weltkrieg jahrzehntelang nichts außer Frieden und Wohlstand erfahren hat, erwarten? Fürsorgliche Beziehungen voller Liebe? Eben nicht! Das sind Leute, die nichts anderes kennen als ihre Unsicherheit und Furcht vor allem und jedem. Eine Art urbane Brutalität bestimmt ihren Alltag – ob es sich nun um Arbeit oder um Beziehungen handelt. Jobs werden gekündigt, sobald sich Probleme auftun. Beziehungen werden von den Beziehungsunfähigen gar nicht erst eingegangen, Gefühle sofort abgeblockt.

Als ob das noch nicht genug wäre, kommt noch die digitale Entfremdung hinzu, d.h. der Computer ist wichtiger als das reale Leben.

Der Film ist sehr düster. Und daher passend in schwarzweiß gehalten.

Der schlimmste Mensch der Welt (Norwegen 2021)

Auch in diesem Fim geht es um Millenials, Menschen, jetzt Anfang/Mitte 20, die mit dem Internet aufgewachsen sind und eine Welt ohne Internet nicht mehr kennen. Die junge Julie gehört zu ihnen.

Sie weiß nicht, wie es in ihrem Leben weitergehen soll. Sie kann sich einfach nicht entscheiden. Nach der Schule fängt sie ein Studium an. Wechselt das Studienfach, bricht die Uni ab, will Fotografin werden, landet als Buchhändlerin in einem Buchladen.

In jedem Film, den ich über diese Millenial-Generation gesehen habe, kommen die Leute irgendwie unstet daher. Ihr Leben scheint eher oberflächlich zu sein, sie ändern es ständig in einem Zickzackkurs, machen nie etwas lange und sind daher auch nicht die besten Anwärter für eine längerfristige Beziehung. Die nächste Website ist nur einen Klick entfernt. Und die nächste Kehrtwende im Leben nur einen Schnipp mit dem Finger.

Der Film von Regisseur Joachim Trier ist genauso zerrissen wie Julies Leben. Er vermischt mehrere Stilmittel, die eigentlich nicht zusammen passen. Mal ist der Film sehr witzig, beinahe eine Komödie, dann wieder ernst und mitunter sehr traurig.

Letztendlich konzentriert sich Julies Dasein auf die Frage, ob sie ein Kind haben möchte. Früher haben die Frauen Kinder „einfach so“ bekommen, wie im Film ausgeführt wird, doch inzwischen scheint es eine fundamentale Frage zu sein, über deren Antwort man jahrelang brüten kann.

Der Film ist sicher kein Meisterwerk, fängt aber gut das Leben eines Millenials ein. Und wer weiß, vielleicht gehört der Film einmal zu denen, über die man später sagt: Ja, so ist es damals gewesen.

Vor allem auch deshalb, weil das Internet in diesem Film nicht nur eine gottgegebene Nebensächlichkeit ist, sondern auch immer als treibende Kraft dargestellt wird. Das ist wirklich gut gemacht.

Post source : JC

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