
Es gibt wenige Filme, die das Kino so sehr beeinflusst haben wie Casablanca unter der Regie von Michael Curtiz mit Humphrey Bogart und Ingrid Bergman in den Hauptrollen.
Wann kann man einen Film „Kultfilm“ nennen? Vielleicht, wenn er Jahrzehnte nach seinem Erscheinen immer noch in Kinos läuft, alle Nase lang im Fernsehen gezeigt wird und die Leute ins Kino rasen oder sich den Film im TV ansehen, obwohl sie ihn schon 100 Mal gesehen haben und die Dialoge vorwärts und rückwärts auswendig können.
Ich habe mir kürzlich nach vielen, vielen Jahren Casablanca wieder einmal angesehen, wahrscheinlich zum 101. Mal. Und war wieder genauso begeistert wie beim ersten Mal.
Marokko während des Zweiten Weltkriegs. Rick (Humphrey Bogart) ist ein zynischer und vom Leben enttäuschter Amerikaner, der eine Bar im marokkanischen Casablanca betreibt. Die Stadt ist voller Migranten, die vor den Nazis fliehen und von Marokko aus via Lissabon in die Vereinigten Staaten reisen wollen. Eines Tages kommt Ricks frühere große Liebe Ilsa (Ingrid Bergman) nach Casablanca. Doch sie ist nicht allein: sie ist in Begleitung ihres Ehemannes Victor (Paul Henreid).
Faszinierend ist der Film auf vielerlei Art. Zuerst einmal zum Schauspiel. Bergman und Bogart sind ein Traumpaar. Zwischen beiden stimmt alles. Sie gehören einfach zusammen. Und da kommt dann dieser dritte Mann und wird vom Zuschauer eigentlich nur als Eindringling empfunden.
Für Rick spricht die Romantik, für Victor die Rationalität. Wofür wird sich Ilsa entscheiden? Und: Liegt die Entscheidung eigentlich in ihren Händen?
Da bei Drehbeginn das Script nicht fertig war, bekamen die Schauspieler jeden Morgen vor dem Dreh immer ein paar Seiten. Daher mussten sie in ihrem Spiel alles offen lassen. Wie im richtigen Leben, denn da weiß man auch nicht, wie es weiter geht. So kommt die Zerrissenheit der Protagonisten, die nicht wissen, was auf sie zukommt, wie sie sich entscheiden sollen, besonders deutlich zur Geltung.
Auch die Nebenrollen sind prima besetzt. Claude Reins als Polizeikapitän. Conradt Veidt als Major Strasser. Peter Lorre als zwielichtiger Ganove. Dooley Wilson als Pianist Sam.
Schon an den Namen merkt man, dass außer Bogart und dem Pianisten Wilson nur Ausländer mitspielen, die es nach Hollywood verschlagen hat.
Bergman stammt aus Schweden, Reins aus Frankreich, Veidt aus Deutschland und Henreid und Lorre kommen beide aus Österreich-Ungarn. Der Film erzählt von Migranten, die in Casablanca gestrandet sind, und es spielen überwiegend Schauspieler mit, die entweder aus dem vom Krieg gebeutelten Europa in die USA geflohen sind, von den Nazis verfolgt wurden oder schon vor Beginn des Zweiten Weltkriegs in die USA auswanderten.
Eine Frau zwischen zwei Männern. Klassischer geht es nicht. Damals wurden wirklich gute Geschichten erzählt. (Bei heutigen Filmen bin ich mir da manchmal nicht so sicher.) Kein Wunder, dass nicht nur von der Story her Casablanca immer noch Einfluss auf viele heutige Filme hat. Die Romanze zwischen Rick und Ilsa steht im Mittelpunkt. Alles andere ist Beiwerk, ohne das der Film jedoch nicht funktionieren würde. Vielleicht macht das Casablanca so faszinierend.
Die Story ist so gut, dass man als Zuschauer sofort von der Handlung gefangen ist und mit den Protagonisten mitfiebert. Alles eingebettet in die Hintergrundgeschichte des Zweiten Weltkrieges mit besonderem Augenmerk auf das von den Deutschen besetzte Frankreich und die Mühsal und Hoffnungen der Flüchtlinge.
Als der Film gedreht wurde, waren die USA gerade erst ein paar Monate Kriegspartei, die Deutschen und die Japaner überall auf dem Vormarsch. Niemand wusste, was noch passiert und wie das ausgeht. Diese unsichere Situation hat der Film gut eingefangen.
Die trotz der ernsten Lage oft witzigen Dialoge sind in die Filmgeschichte eingegangen. Es fällt schwer, nur ein paar Einzeiler hervorzuheben. Vielleicht „Ich schau dir in die Augen, Kleines“ oder „Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen“ oder „Ich glaube, das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.“ Der Satz „Spiel es noch einmal, Sam“, kommt allerdings nicht vor. Das ist eine Legende. (Vielleicht befeuert durch den Film „Mach’s noch einmal, Sam“ mit Woody Allen.) In Casablanca heißt es lediglich: „Spiel es, Sam.“
Der Film wurde dieses Jahr 80 Jahre alt. Von seinem Charme hat er überhaupt nichts verloren. Manchmal frage ich mich, ob Michael Curtiz (ein aus Ungarn stammender Migrant) und seinem Team während der Dreharbeiten überhaupt klar war, welches zeitlose Meisterwerk sie da schaffen.
Um das zu beurteilen, muss natürlich erst eine gewisse Zeit vergehen.
Viele neue Filme, von denen man glaubt, sie seien Meisterwerke, sind nach ein paar Jahren schon vergessen. Und dann gibt es wiederum Filme, von denen man nicht ahnen konnte, dass sie auch noch nach Jahrzehnten einen großen Platz im kollektiven Gedächtnis der Filmfreunde einnehmen. Wie Casablanca. Den Film werde ich auch dann noch mit Begeisterung sehen, wenn er 100 Jahre alt ist.
Ich denke, dass Casablanca keinesfalls in einem Filmmuseum verstauben wird, sondern auch heute noch der jüngeren Generation einiges zu bieten hat. Unterhaltsam ist er allemal.