
Das neue Schuljahr steht vor der Tür, und damit auch wieder Nachrichten über körperliche Misshandlungen von Schülern durch Lehrer. In Thailand ist das leider an der Tagesordnung.
Letztes Schuljahr wurde im Bezirk Mueang Sam Sip in der Provinz Ubon Ratchathani ein elfjähriger Junge von seiner Lehrerin körperlich verletzt. Die Lehrerin der fünften Klasse verlangte von dem Jungen, dass er sich die Haare schneiden sollte, weil seine Frisur nach Ansicht der Lehrerin gegen die Schulordnung verstieß. Sie schlug den Jungen sechsmal mit einem Stock auf die Waden.
Der Vater des Jungen erinnerte sich an früher und sagte, das Schlimmste, das da passiert sei, war, dass der Lehrer einem Schüler ein Stück Haar abschnitt und ihm mitteilte, dass es auf die erforderliche Länge geschnitten werden müsse. Schläge überschritten indes eindeutig eine rote Linie.
Der Vater wandte sich an Facebook, wo er ein Foto seines verletzten Sohnes postete. Als der Schuldirektor später am Abend von der Angelegenheit erfuhr, besuchte er die Familie in Begleitung des Bildungsausschusses der Schule und des beleidigenden Lehrers zu Hause. Nachdem er dem Lehrer einen Verweis in Aussicht gestellt und seine Entschuldigung gehört hatte, verzichtete die Familie auf weitere Maßnahmen.
Überall im Land berichten Schüler von Missbrauchswellen. Langes Haar ist einer der häufigsten Auslöser für Missbrauch. In Schulen in Chaiyaphum und Nakhon Ratchasima wurden autoritäre Lehrer dabei erwischt, wie sie ihre Befugnisse überschritten, Schüler schlugen oder ihnen wütend die Haare abschnitten.
In der Vergangenheit wurde immer wieder über Bestrafung diskutiert, aber die Lehrer kennen oft nicht die Grenzen ihres Handelns. Der Standard-Haarschnitt im Militärstil – ein Kurzhaarschnitt für Jungen und ein Prinz-Eisenherz-Haarschnitt für Mädchen – geht auf die Ära von Thanom Kittikachorn im Jahr 1972 zurück.
In Thailand ist der Missbrauch von Kindern in Schulen an der Tagesordnung, doch Lösungen lassen sich nur schwer durchsetzen. Echte Reformen werden wahrscheinlich nicht durch eine vom Bildungsministerium diktierte Politik herbeigeführt, sondern eher durch einen langen, intensiven Blick auf die in der thailändischen Gesellschaft verankerten Verhaltensweisen. In Thailand ist autoritäres Verhalten tief verwurzelt. Es ist fast in die Kultur eingebrannt. Eine alte thailändische Redewendung lautet: „Wenn du deine Kuh liebst, binde sie an. Wenn du deine Kinder liebst, versohle ihnen den Hintern.“
Als Redewendungen wie diese populär wurden, war das Wissen um die psychologischen Auswirkungen solcher Strafen auf das Wohlbefinden von Kindern natürlich nicht weit verbreitet.
Thailand sollte die Hierarchien untersuchen, die die Gesellschaft beherrschen. Schulleiter und Lehrer haben einen höheren Status in der Gesellschaft, ebenso wie andere Berufe, die mit einer staatlichen Rente verbunden sind. Viele Thais betrachten den Lehrerberuf als einen noblen und sicheren Beruf.
Darüber hinaus trägt die Praxis der natürlichen Bevorzugung von Personen mit höherem Status, insbesondere in Schulen, zu diesem Problem bei. Die thailändische Praxis einer Verhaltensnorm, die zu Bescheidenheit, Respekt und Rücksichtnahme gegenüber anderen ermutigt, ist problematisch, da sie in Schulen bedeutet, dass man Machtunterschiede fast standardmäßig akzeptiert.
Um die Zahl der Missbrauchsfälle zu verringern und die Gesamtergebnisse in kritischen Fächern zu verbessern, muss Thailand gegen die kulturellen und sozialen Normen vorgehen, die den Missbrauch in den Schulen legitimieren und normalisieren.
Andere Länder haben bereits Maßnahmen ergriffen. Obwohl 41 Prozent der japanischen Eltern Prügel als akzeptable Form der Bestrafung in der Schule akzeptieren, hat Japan sein Gesetz zur Verhinderung von Kindesmissbrauch aus dem Jahr 2000 und sein Kinderschutzgesetz aus dem Jahr 1947 geändert, um alle Formen der körperlichen Bestrafung von Kindern zu verbieten. In Europa ist die Prügelstrafe seit langem abgeschafft.