
Erst hatte ich gedacht, „Maid“ spielt im 18. oder 19. Jahrhundert. Weshalb ich darauf kam, weiß ich nicht. Da war der Plot in meinem Kopf sofort fertig: Armes, geplagtes Mädchen ist dem Schlossherrn auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Sie wird sich wehren und den Schlossherrn der vom Zuschauer erwarteten Gerechtigkeit zuführen. Bis dahin dauert es allerdings zehn Teile. Und wenn es eine Horrorserie ist, bekommt sie entweder Hilfe von Geistern oder wird nach vollbrachter Tat von ihnen verfolgt.
Überraschung: „Maid“ spielt im 21. Jahrhundert, ich würde sagen, Anno Domini 2019.
Der Schlossherr ist das System, gegen das die verzweifelte Mutter einer kleinen Tochter ständig ankämpfen muss. „Maid“ ist, so realitätsnah die Serie auch sein mag, nie nach Art eines Dokumentarfilms gedreht, sondern kommt daher wie ein mit hohem Budget finanziertem A-Film aus einem der großen Hollywood-Studios. (Nun ja, „Maid“ wurde von Warner Brothers finanziert.) Hier wurde das ganz normale Alltagsleben einer ganz normalen Frau verfilmt. Was „Maid“ erlebt, haben Zuschauer mitunter auch schon einmal erlebt.
Bei aller Ernsthaftigkeit gibt es immer wieder Sequenzen, bei denen man sich denkt: das kann doch nicht wahr sein. Aber wenn wir noch mal zum vorherigen Absatz zurückgehen: Doch, das kann wahr sein, denn wir alle haben schon mal mit diesem System zu tun gehabt. Oder mit Menschen, die, gelinde gesagt, merkwürdig drauf waren.
Das beste Beispiel ist die Mutter der Protagonistin, gespielt von Andie MacDowell.
Sie spielt hier eine völlig durchgeknallte Person, mit der man es als Normalsterblicher keine fünf Minuten aushalten würde. Abgesehen von ihrem Freund, der ständig mit einem australischen Fake-Akzent spricht. Saukomisch! Man stelle sich vor, sie wäre die eigene Mutter …
Maids Vater, der auf den ersten Blick total cool rüber kommt, birgt das eine oder andere dunkle Geheimnis. Seine Töchter aus zweiter Ehe, Maids Halbschwestern, spielen mit Plastikgewehren und reden nicht viel.
Die Personen, die Maid im Laufe der Zeit im Rahmen ihrer Tätigkeit und auch außerhalb dieser kennen lernt, sind Charaktere und Orte, die man einfach nicht mehr vergessen kann. Ob es nun eine total unglückliche Villenbesitzerin auf einer Insel ist, ein potentieller Boyfriend, der ihr sagt, er möge in Geschichten weibliche Helden (wunderbare Anspielung auf die Serie) oder ein „Horrorhaus“, in dem Maid mehr über ihre eigene Vergangenheit erfährt.
Getragen wird die Serie von der Titelheldin, die Geschichte wird ausschließlich aus ihrem Blickwinkel erzählt. Gespielt wird Maid von Margaret Qualley.
Sie ist mir schon das dritte Mal in Folge aufgefallen, obwohl ich zuvor nie daran gedacht habe, dass es sich immer um dieselbe Person handeln könnte. Das erste Mal fiel sie mir auf, als sie die Tochter des Sheriffs in „The Leftovers“ spielte, einer meiner absoluten Lieblingsserien. Das zweite Mal fiel sie mir im Tarrantino-Film „Once Upon a Time in Hollywood“ auf. Wenn ich mich nicht sehr täusche, spielt sie da eines der Manson Girls, das von Brad Pitt abgeschleppt wird.
Und das dritte Mal nun fiel sie mir in „Maid“ auf. Ich dachte auch immer, wie gut Margaret Qualley ausgesucht wurde, sieht sie doch ihrer Mutter in der Serie so ähnlich. Ja, wieso wohl? Na, weil Margaret Qualley die Tochter von Andie MacDowell ist. Mutter und Tochter spielen in der Serie … Mutter und Tochter.
Technisch ist „Maid“ auf höchstem Niveau. Hier ist alles perfekt. Besonders hervorzuheben ist der Schnitt. Wenn eine Figur etwas erzählt und manchmal flunkert, wird die brutale Wahrheit in kurzen Sequenzen gezeigt.
Frage: Schreibst du noch? Antwort: Na klar. Schnitt auf ein leeres Blatt Papier.
So geht Film! Denn nur solche Kleinigkeiten machen eine gute Geschichte aus.
Übertroffen wird das alles durch die schauspielerische Leistung. Bis in die kleinste Nebenrolle grandios besetzt, es ist unmöglich, auch nur eine einzige Figur zu vergessen. Das gilt nicht zuletzt für Maids Tochter. Die kleine Maddy ist einfach umwerfend.